Der Baum
Es gibt einen Schmerz, der zum Leben erweckt. Unruhig, zögernd, nach welcher Seite soll man sich wenden? Ich möchte gern um einen anderen Schmerz wissen, dann könnte - ich bleiben - mein Schmerz versiegen - ich ruhig an mich glauben.
Hoch stehn die Gräser, hoch ist der Baum
Stolz seine Krone
Im weltweiten Raum
Steht er im Hohne
Ringsum ist Stille
Es fällt seine Frucht
Und damit die Hülle
Frei für die Flucht
Denn schneidende Winde
Die Äste ergreifen
Wund wird die Linde
Wund kann sie reifen
Sie beugt sich und schreit
Erhebend die Klage
Des unendlich Leid
Das niemand ertrage
Sie bangt um ihr Leben
Sie stöhnt, daß es schallt
Kein Trost kann ihr geben
Der Grashalm – kein Halt
Allein steht sie immer
Denn hoch ist der Baum
Und laut das Gewimmer
Die Vorstellung Schaum
Der Sturm ist vorüber. Gebrochene Zweige, verwehte Blätter bleiben reglos, verwelken. Unbeachtet erneuert sich die Natur. Spuren sind verweht. Es werden neue kommen, und ein neuer Sturm. Nichts erinnert mehr. Ein Stück von meinem Leben, das ich in mir trage - ausgelöscht - verweht - verwelkt.
Es steht allein in der Weite
der hochragende Baum
mit seiner stolzen Breite
zitternd im Raum
Was er gesehen,
was er erlebt
das steht in den Zweigen
wie oft er gebebt
das nennt er sein Eigen
Er hat sich erhoben
er ist erfüllt
die Krone dort oben
hat sich enthüllt
Der Sturm hat Blätter fortgetragen, Äste gerissen, verstreut. Stehen blieb, was kräftig ist. Aus dieser Kraft sprießen junge Knospen. Die Wunden sind verheilt. Der Baum steht in voller Blüte. Früchte soll er tragen. Nun ist es Zeit. Der Sturm ist vorüber. Still ist es. Berühre nicht die Blüte, bewundere sie, atme ihren Duft. Du wirst ihre Liebe spüren.
Ob es ein Traum war, es ist ein Traum geworden;
Ein immer sich wiederholender Traum, der
irgendwo, irgendwann in der Wirklichkeit
begann. Ein Traum, der aus dem Schlaf
reißt. Etwas wichtiges ist geschehen.
So plötzlich erwacht und wieder in
Schlaf fallend versuchen den Traum zu
wiederholen und doch; er endet immer
gleich; so plötzlich.
Wer war dabei?
Wo ist es geschehen?
Was weiß ich, ob es schon das erstemal nur
ein Traum war und ob ich allein träumte,
ob ich jetzt allein träume.
Sag mir, ob du träumst.
Nein, sag es nicht, weil sonst vielleicht mein
Traum verfliegt.
*
Traum
Es ist die weiße Winternacht wie der grellbelbe Mond.
Im stillen habe ich gedacht:
wie die Sterne glitzern.
So war es mir, wie in dem Traum,
als ich die Wirklichkeit ergriff.
Waren es Stunden?
Es ist egal, es war
eine Berührung, so lang und doch so
flüchtig, so stark, daß ich sie doch
noch fühl, noch mehr jetzt, da das
Jahr begann und nur noch wenige
Tage bis zum Aufbruch fehlen. Blühen
wird die Erde in der Frühlingssonne,
öffnen werden sich die Blumen,
recken sich die Gräser nach der Sonne.
Ach, so eine letzte Winternacht, die
alle Hoffnung trägt, so schneeweiß
in der Finsternis, so still und am
Morgen tropft Wasser vom Dach.
Der Schnee schmilzt. Eine Hoffnung
auf Blühen, die schönste Nacht.
Letzter Schnee, erste Wärme,
lange Nacht,
große Hoffnung.
Mein Traum, ich halt dich fest.
Kann das Herz sich täuschen und der Traum
den Körper so weit entführen, daß die Wirklichkeit
so erscheint....
Hoffnung
Sehnsucht nach Verlangen dort, wo
keine Erfüllung ist
Hunger ist Hoffnung.
Angst davor, gesättigt
nur noch den Schlaf zu ersehnen,
den traumlosen
Schlaf.
Was weißt du vom kalten Nordwind, von
verregneten endlosen Straßen, vom Wandern
einsamer Gestalten in der Millionenstadt, vom
Staub der Hoffnungslosen, von der Gier der
Verlorenen.
Ich trinke die Hoffnung.
Aus der ersten Vergangenheit
der Menschheit trugen sie Millionen
bis zu dir,
Kind der Hoffnung.
Nur die Zeit hat sich verändert.
Kampf der Vertriebenen.
Ausgestoßen aus dem Mutterleib.
Vertrauen zur Erde,
Mut zum Leben.
Was weißt du vom Irren der Verlorenen, von
der Hoffnungslosigkeit einer untergehenden
Menschheit.
Dein Lachen war
zu allen Zeiten die Quelle,
die den Fluß antreibt und
während du geboren wirst,
jeden Tag, stürzen sie sich ins Meer,
die Hoffnungslosen, und dein Lachen
treibt die, die noch im Fluß
schwimmen, weiter.
Ewiges Kind, ewiges Lachen
Nicht alle Menschen
erinnern sich ihrer Träume...
*